Das H-Dur-Trio op. 8 von Johannes Brahms ist zugleich das früheste und späteste Klaviertrio des Komponisten. Es liegt in zwei völlig verschiedenen Fassungen aus den Jahren 1854 und 1889 vor, wobei heute im Allgemeinen die Spätfassung als das „Opus 8“ gilt. Brahms vollendete das Trio in der Urfassung im Januar 1854, drei Monate nach seiner ersten Begegnung mit Robert Schumann in Düsseldorf und unter dem Eindruck der sich entwickelnden Künstlerfreundschaft mit seinem Mentor. In späteren Jahren wurde Brahms seines „geschwätzigen“ Frühwerks überdrüssig und unterzog es schließlich 1889 einer Revision, die erhebliche Veränderungen aufwies. Die Art und Weise, in der der 53jährige Brahms sein eigenes Frühwerk durch radikale Eingriffe veränderte, gehört zu den wenigen Fällen schrankenlos offener Selbstkritik eines Künstlers. „Im Ganzen ist das neue H-Dur-Trio ein unvergleichliches Zeugnis für seine künstlerische Offenherzigkeit und Ehrlichkeit, mit der er nicht nur bekennt, sondern uns geraden Weges zeigt, was er in seiner Jugend nicht recht gemacht hat,” schrieb der Brahms-Freund Eusebius Mandyczewski, Bibliothekar der Musikfreunde in Wien.
1891 hatte Brahms mit gerade einmal 57 Jahren eigentlich mit dem Komponieren schon abgeschlossen, doch zum Glück für die Nachwelt begegnete er dem Solo-Klarinettisten der Meininger Hofkapelle, Richard Mühlfeld, der ihn mit seinem Spiel voller Tonschönheit begeisterte und zu neuen Kompositionen inspirierte: Noch im selben Sommer schrieb er für Mühlfeld das Klarinettentrio a-Moll, kurz darauf das Klarinettenquintett, wenig später noch zwei Klarinettensonaten. Diese späten Kammermusikwerke gehören sicherlich zum Schönsten, was jemals für Klarinette geschaffen wurde. Das Trio op. 114 mit seinem melancholisch-herbstlichen Tonfall wird von allen Klarinettisten geliebt, hier hängt alles mit allem zusammen: Die ungarisch angehauchte Melodie im vierten Satz ist aus dem Thema des ersten Satzes entwickelt, jener schlichten Dreiklangmelodik, mit der das Cello beginnt –und aus diesem Thema lassen sich auch viele andere Motive ableiten. „Entwickelnde Variation" nennen Analytiker diese Brahms-Technik – aus einem Thema und seiner Begleitung, Schritt für Schritt das ganze Gewebe eines Stückes zu entwickeln. Noch Arnold Schönberg hat später daraus für seine Zwölftontechnik gelernt.