Tickethotline: 0234 910 86 66

BoSy Fokus: Radiomusiken

Klassische Musik ist eine eher analoge Kunstform, gehört doch das Musizieren im Konzertsaal, das direkte Aufeinandertreffen von Spielern und Publikum untrennbar dazu. Während der Corona-Pandemie mussten wir damit umgehen, unser Publikum nicht auf dem gewohnten Weg erreichen zu können, wir mussten digitaler werden. Mit unseren fast wöchentlichen Livestreams ist uns das gelungen, begeisterte Reaktionen und hohe Aufrufzahlen bestätigen das. Eine wirkliche Aneignung der digitalen Medien sind diese Livestreams allerdings nicht, und es wird die spannende Aufgabe für die Zukunft sein, aus der Erfahrung zu lernen und eigenständige digitale Formate zu entwickeln.

Diese Herausforderungen, die neue Techniken an die „alte“ Kunstformen stellen, sind aber ganz und gar nicht neu: Wie uns erging es Musikern schon vor hundert Jahren – damals allerdings war das Radio das Massenmedium, dessen man sich bedienen wollte.
Die Aufgabe lautet, einem schier unermesslichen, aus allen Altern, Ständen und Stufen menschlicher Reife zusammengesetzten Hörerkreise (…) durch das Wunder des Rundfunks das lebendige Leben und die lebendige Kultur (…) zu seelischer Erhebung, geistiger Fortbildung und gemütlicher Zerstreuung nahezubringen. (…) Wir wollen in dem, was wir auch immer verbreiten, so bunt sein, wie das Leben selbst (…)“, so las sich 1929 das selbstgesteckte Ziel der Radiomacher im „Jahrbuch des Westdeutschen Rundfunks“
Gerade für die klassische Musik entstand damit ein besonderes Problem, wie Heinrich Strobel, einer der wichtigsten Musikkritiker der Zeit ein wenig süffisant feststellte: „Der Rundfunk (…) kann nicht mit dem musikwilligen, traditionsgesättigten Hörer der Opernhäuser und Konzertsäle rechnen. Vor dem Lautsprecher haben die wenigsten die künstlerische Aufnahmebereitschaft, die sie sich im Konzert auf jeden Fall einzureden bemühen.

Davon abgesehen bargen aber besonders auch die technischen Möglichkeiten echte Schwierigkeiten, denn schließlich wurde die live im Studio gespielte Musik durch ein einziges Mikrophon übertragen – mit dem gewohnten klassischen Repertoire kann man da nicht weit.
Und so wurden von nahezu allen Sendegesellschaften die bekanntesten zeitgenössischen Komponisten beauftragt, Musiken zu entwickeln, die den technischen Möglichkeiten des neuen Massenmediums angepasst sein sollten. Komponisten wie Eduard Künneke oder Edmund Nick, die vornehmlich Unterhaltungsmusik schrieben, aber auch Kurt Weill, Paul Hindemith, Pavel Haas, Ernst Toch oder Franz Schreker, die als bedeutende Neuerer ihrer Zeit in die Musikgeschichte eingegangen sind, zählen zum angesprochenen Komponistenkreis.
Die so entstandenen „Radiomusiken“ markieren die letzte Blütezeit der deutschen Unterhaltungsmusik, bevor die Nazis auch diese verfälschten. Es sind musikalischen Experimente, die keine musikalischen Grenzen kennen, Tanz und Jazz stehen neben klassischen symphonischen Formen und avantgardistischen Neuerungen der Zeit.

Mit Ernst Theis haben wir bei unserem Fokus nicht nur einen Orchesterleiter mit einer künstlerischen Bandbreite von der frühen Wiener Klassik bis in die Avantgarde zu Gast, er hat zudem musikalisch als Dirigent, aber auch durch musikwissenschaftliche Arbeit maßgeblich dafür gesorgt, das fast vergessene Genre der Radiomusiken wieder zum Leben zu erwecken.

 

BoSy Fokus – Radiomusiken
Stimmen vor dem Mikrophon

Mi 06 10 21
20 Uhr
Großer Saal

Kurt Weill: Berliner Requiem
Edmund Nick: Leben in dieser Zeit
Wilhelm Grosz: Bänkel und Balladen

Romana Amerling, Sopran
Michael Pflumm, Tenor
Dominik Köninger, Bariton
Paul Armin Edelmann, Bariton
Bjørn Woll, Moderation
Bochumer Symphoniker
Ernst Theis, Dirigent


BoSy Fokus – Radiomusiken
Im Klanglabor

Sa 09 10 21
20 Uhr
Großer Saal

Ernst Toch: Bunte Suite
Walter Braunfels: Divertimento für Radioorchester
Max Butting: Heitere Musik
Mischa Spoliansky: Charleston Caprice

Bjørn Woll, Moderation
Bochumer Symphoniker
Ernst Theis, Dirigent